Jeder Segler kennt die zwei schönsten Tage im Leben eines Eigners: der Tag, an dem man seine Yacht kauft – und der Tag, an dem man sie wieder verkauft. Da ist was Wahres dran! Doch wenn man eine Yacht baut, dann erstreckt sich die Vorfreude über mehrere Jahre. Man tüftelt an jedem Detail, sieht zu, wie sie langsam Gestalt annimmt, wie aus einer vagen Idee eine perfekt funktionierende Maschine wird und aus rohem Metall eine anmutige Form voller Dynamik und Eleganz. So betrachtet habe ich gerade keinen Grund zur Klage. Es ist eine gute Zeit.
Und natürlich haben wir in den zwei Monaten seit dem letzten Blogbeitrag zur VOLT erhebliche Fortschritte gemacht. Insbesondere haben wir uns der Funktionalität und Ergonomie des Cockpits gewidmet, dem vielleicht wichtigsten Arbeitsplatz an Bord. Aber auch viele andere Details wurden verbessert. So wurde der Hubkiel um 4 Grad geneigt, damit er über eine Schiene geführt werden kann und auf dieser aufliegt. Somit kann er in einer beliebigen Höhe fixiert werden. Das ist beispielsweise sinnvoll, wenn man in der dänischen Südsee oder im Wattenmeer segeln möchte, und den Tiefgang von 2,80 Metern auf nur 1,10 Meter verringert.
Außerdem haben wir so mehr Platz im Salon, da der Kielkasten nach vorn wandert. Auch das Deckshaus ist etwas weiter nach vorn gerutscht, damit man die Treppe zum Vorschiff nutzen kann, ohne sich den Kopf zu stoßen. Und der Mast ist soweit möglich nach achtern, um den Segelplan besser ausbalancieren zu können. Die Vorsegel sind somit größer. Die Skizze zeigt die letzten Änderungen.
Das Cockpit der VOLT
Die meisten Änderungen gab es allerdings im Cockpit, weshalb wir uns dieses nochmal vergrößert anschauen:
1 – Die Steuersäule steht jetzt frei, sodaß man leicht die Winschen erreichen oder auf die seitlichen Laufdecks (4) kann. Soviel Platz gibt es am Steuerstand sonst nur bei wesentlich größeren Booten, meist ist es ein ziemliches Gedränge um das Steuerrad. Hier kann man auch vor dem Steuerrad vorbeigehen, ohne den Steuermann zu stören.
2 – Der Steuerstand selbst ist nach achtern durch große Sitzbänke und einem Heckkorb abgeschlossen. Da der Steuerstand durch den Verzicht auf Achterkabinen recht tief liegt, ist er seitlich auch gut durch die Bordwand geschützt. Er ist aber auch hoch genug, um über das keilförmige Deckshaus eine gute Sicht nach vorn bis zum Bug zu bieten (falls man nicht gerade Tyrion Lennister ist). In den Sitzbänken ist auf jeder Seite eine Trommel für je 100 m Landleine untergebracht, die leicht nach achtern abgewickelt werden kann. Außerdem findet sich hier Platz für einen Heckanker samt Kette sowie für einen E-Aussenborder mit Ladestation.
3 – Die Winschen sind leicht und ohne Akrobatik vom Steuerstand aus zu erreichen. Die Fallen, Reffleinen und Schoten werden unter Deck ins Cockpit geführt und liegen an den inneren Winschen an. Die äußeren Winschen nehmen die Schoten des Code 0 oder Gennaker auf und dienen zum Trimmen der Backstagen (7). Wichtig war mir hier die optimale Einhandtauglichkeit.
4 – Die Laufdecks lassen sich sehr sicher über zwei Stufen erreichen. Man muß also nicht über die Bänke klettern, sondern geht direkt vom Steuerstand nach vorn. So ähnlich wurde das auch auf der Jeanneau 440 gelöst, die u.a. auch wegen diesem Feature gerade zur „Yacht des Jahres“ nominiert wurde.
5- Die Sitzbänke im Cockpit bieten mit einer Länge von 2 Metern viel Platz und haben auch eine sehr komfortable Sitztiefe. Im warmen Klima sind sie sicherlich ein bevorzugter Schlafplatz an Deck. Zwischen den Sitzbänken wird ein großer Cockpittisch installiert (noch nicht eingezeichnet). Von den Sitzbänken aus kommt man auch an den sehr großen Stauraum im Heck der VOLT. Dort ist ausreichend Platz für Vorräte und alles weitere, was man auf einer Langfahrt so mitführt.
6 – Da das Dach des Deckshauses weit nach achtern geführt wird, sitzt man hier auch sehr geschützt. Wir brauchen daher keine Sprayhood, sondern können auch bei Wind und Wetter im Cockpit sitzen. Die Seitenwände sind transparent, sodaß man auch eine gute Sicht hat. Nach vorn kann man gut durch die Fenster des Deckshauses schauen. Noch nicht eingezeichnet ist hier die Tür in den Salon. Dies wird eine „richtige“ Aluminiumtür, die über Knebel absolut wasserdicht verschlossen werden kann. Damit kann das Boot wie eine Rettungskapsel völlig wasserdicht versiegelt werden und bietet mit den Schotten zum Heck und zum Vorschiff einen sehr sicheren Überlebensraum auf See. Solange man keinen Wassereinbruch hat, ist der Innenraum selbst unter widrigsten Umständen der sicherste Ort auf See.
7 – Das Carbon-Rigg hat um 28 Grad gepfeilte Salinge und daher keine Achterstagen, da wir ein stark ausgestelltes Squarehead-Großsegel verwenden. Aber über zwei Dyneema-Backstagen kann der Mast entsprechend getrimmt werden. Diese werden über je eine Umlenkrolle auf die äußeren Winschen geführt.
8 – Der Geräteträger am Heck wird noch verändert, aber anstelle des üblichen „Henkels“ ist er eher wie ein „T“ gebaut. Er nimmt vor allem das Radar, alle Antennen außer UKW sowie das Dinghy auf. Anstelle von Davits gibt es wie bei den Ovnis einen Bügel, an dem das Dinghy hängt und der über eine Talje abgesenkt wird. Vom Geräteträger aus kann auch ein Bimini ausgerollt und bis zum Deckhaus gespannt werden. Damit ist das gesamte Cockpit vor Sonne und Regen geschützt. Technisch eine sehr einfache Lösung, die auch völlig ohne das übliche Stahlgestänge auskommt.
Der Blick von achtern auf das Cockpit zeigt den guten Durchgang zwischen den Steuerständen. Es zeigt auch die sehr tiefe Position des Cockpits, was erheblich zum Komfort und Sicherheit beiträgt. Bei viel Schwell und starken Rollbewegungen des Rumpfes hat man in einem tiefen Cockpit natürlich viel weniger Bewegung als in einem hohen Cockpit. Das Risiko, seekrank zu werden, wird also erheblich reduziert.
Insgesamt bietet das Cockpit eine sehr hohe Funktionalität und auch sehr komfortabel Platz. In warmen Gegenden ist es der bevorzugte Lebensraum, sodaß wir eine Balance zwischen Decksalon und Cockpit angestrebt haben. In hohen Breiten oder zur kalten Jahreszeit wird man den Decksalon sehr schätzen. Aber in warmen Gegenden, im Mittelmeer oder Karibik, findet das Leben eben im Cockpit statt. Und dieses Cockpit ist für eine 42-Fuß Yacht extrem geräumig.
Vergleich mit Serienyachten
Zum Vergleich das Cockpit einer ähnlich großen Bavaria Cruiser 41, stellvertretend für alle Serienyachten. Die Winschen sind vom Steuerstand aus nicht erreichbar, sondern man muß über die Bänke klettern. Ebenso kommt man nur mit viel Kletterei auf die Laufdecks, falls man nach vorne möchte. Der Steuerstand wirkt recht beengt, vor den Steuersäulen ist kein Platz mehr. Bei schwerem Wetter bietet das Cockpit wenig Schutz.
(C) Bavaria Yachts
Nun gut, mag man sich fragen, ist das denn bei einer modernen und viel größeren Hanse 588 dann besser gelöst? Man hat zwar an jedem Steuerstand eine Kommandozentrale, mit der man auch ein Apollo-Raumschiff zum Mond steuern könnte, aber die vorderen Winschen sind für den Rudergänger nicht erreichbar. Dazu muß er auch erst wieder über die Bänke klettern. Daher sind auf dem Foto – immerhin ein Werbefoto der Werft – auch die Genuaschoten auf die hinteren Winschen geführt, obwohl dafür eigentlich die vorderen Winschen vorgesehen sind. Das zeigt schon die schlechte Ergonomie der Anordnung . Und wieder ist das Cockpit völlig offen und eher für Schönwettersegeln ausgelegt.
(C) Hanse Yachts
Das sind auch typische Charteryachten für einfache Segelreviere, mag man nun einwenden. Schauen wir uns doch mal typische Blauwasser-Yachten an, die für die weltweite Fahrt konzipiert sind. Bestimmt sieht man da viel bessere Cockpit-Layouts. Weit gefehlt, da wird es eher schlimmer. Direkte „Mitbewerber“ zur VOLT wären die Boreal 44 und die Garcia Exploration 45, beides Aluminium-Yachten, die gerne von Weltumseglern gekauft werden. Aber wie die Fotos zeigen, muß man auch da auf den Seitendecks rumturnen, um die Winschen bedienen zu können. Das ist gefährlicher Unsinn, ganz besonders bei einer kleinen Crew oder gar Einhand. Wer über Bord geht, ist tot.
(C) Garcia Yachts, Boreal
Ganz extrem ist es auch auf diesem Screenshot aus einem Video der nagelneuen Arkona 465 zu sehen, die gerade von einer Fachzeitschrift getestet wird. Aufgrund der schlechten Cockpit-Ergonomie muß man sich ganz auf das Seitendeck stellen, um die Winschen bedienen zu können. Dazu steht man noch mit dem Rücken zu Segel, sieht also gar nicht, was man da eigentlich macht. Bei einer so großen Crew mag das noch angehen, aber Einhand wäre diese Akrobatik lebensgefährlich.
(C) Arkona
Aktuelle 3D-Ansichten
Zum Abschluß zeige ich noch ein paar 3D-Ansichten der VOLT, um einen räumlichen Eindruck zu vermitteln. Das große Dach des Decksalons bietet viel Platz für Solarpanele mit einer Gesamtleistung von ca. 1,8 KW nominal, was mehr als ausreichend ist, um den Energiebedarf vor Anker oder unter Segel zu decken.
Hier sieht man gut den vom Dach des Deckshauses geschützten Bereich im Cockpit. Die Seitenwände sind transparent, sodaß man von jeder Stelle aus einen guten Rundumblick hat.
In dieser Draufsicht sieht man die Stufen, die zum seitlichen Laufdeck führen. Und man sieht auch den guten Zugang zum Heck und damit zur Badeleiter oder zum Dinghy. Das gesamte Layout ist auf eine hohe Funktionalität und eine ergonomische Bedienung der Yacht ausgelegt.
Das Layout der VOLT ist somit weitgehend festgelegt. Demnächst können wir also mit der Gestaltung des Innenraums beginnen.
Update 15.02.2020: Neue 3D-Renderings eingefügt
#nextgenerationyachting
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