Motoren-Rochade – wohin mit den Dingern?

von Hendrik Heimer am 26.04.2018 / in Allgemein

Der Entwurf eines One-Off Designs – also einer Yacht, die nur ein einziges Mal gebaut wird – stellt einen vor viele Entscheidungen. Man beginnt ja mit einem leeren Blatt Papier. Klingt erstmal gut, bedeutet aber in der Praxis ein ständiges Abwägen von Vor- und Nachteilen. Es gibt nicht die eine perfekte Entscheidung. Yachtbau ist eine Folge von Kompromissen. Am Beispiel der Positionierung der Elektromotoren möchte ich den Entscheidungsweg hier mal anschaulich machen.

Der Antrieb der VOLT besteht ja aus zwei Oceanvolt AXC10 Wellenantrieben mit je 10 KW Leistung. Den Antrieb selbst haben wir ja in einem anderen Blogartikel schon sehr ausführlich beschrieben, da er ein ganz zentrales Feature der VOLT darstellt. Nur aufgrund des sehr kompakten Volumens der Antriebe ist ein Twin-Antrieb überhaupt möglich. Aber schnell stellte sich heraus, so einfach wird es nicht werden. Das moderne Rumpfdesign mit dem sehr flachen Unterwasserschiff stellt uns vor besondere Herausforderungen. Also wurden mehrere Alternativen ausprobiert – alle mit ihren Vor- und Nachteilen.

Die klassische Variante – ein Motor in der Mitte

Bei nur 42 Fuß Länge ist ein Twin-Antrieb eigentlich nicht möglich. Zumindest nicht mit einem Dieselmotor. Von Berckemeyer gab es daher bislang auch nur eine Yacht mit einem Twin-Antrieb, den riesigen 70-Fuß Schoner „Marevida“. Die klassische Variante wäre also ein Motor in der Schiffsmitte. Mit dem Oceanvolt AXC20 Wellenantrieb mit 20 KW Leistung wäre das durchaus eine mögliche Option gewesen. Der Einbau wäre auch einfach, da die Bilge dort am tiefsten ist.

Bild: Seitenansicht bei Einbau eines AXC20-Wellenantriebs in der Schiffsmitte

Bei Lage ist ein mittiger Antrieb auch unproblematisch, da die Schraube zu keinem Zeitpunkt aus dem Wasser kommt.

Bild: Propellerposition bei Krängung

Ein weiterer Vorteil ist der Schutz des Propellers durch den Kiel gegen Treibgut. Wenn da was schwimmt, dann knallt es zuerst gegen den Kiel. Der AXC20-Wellenantrieb bietet sogar eine gewisse Redundanz, da er ja modular aus zwei AXC10-Motoren aufgebaut ist. Sollte ein Motor ausfallen, dann fährt man eben mit dem anderen weiter. Also auch hier kein Nachteil gegenüber einem Twin-Antrieb. Außerdem bietet ein Antriebsstrang natürlich weniger Wasserwiderstand wie 2 Antriebsstränge bei einem Twin-Antrieb. Auch daran muß man denken.

Allerdings hatten wir uns ja bewußt für einen Twin-Antrieb entschieden, um die Manövrierfähigkeit unter Motor entscheidend zu verbessern und um auf ein Bugstrahlruder komplett verzichten zu können. Natürlich kann man eine 42-Fuß Yacht auch nur mit einer Schraube und ohne Bugstrahlruder im Hafen manövrieren, darum geht es nicht. Das Thema ist eine wesentliche Verbesserung der Manövrierfähigkeit. Das Boot soll nur mit den beiden Motoren gesteuert werden können. Dazu ist eine Fernbedienung vorgesehen, sodaß man Einhand das Boot von jeder Position an Bord steuern kann. Außerdem werden Leinenmanöver wirkungsvoller und einfacher, wenn man den wesentlich größeren Hebelarm nutzen kann, den ein Motor mit mehr Abstand zum Drehpunkt bietet.

Also haben wir dann versucht, einen Platz für die beiden Motoren zu finden.

Twin-Antrieb in der Position Achtern

Die erste Option war eine Platzierung der Motoren direkt hinter dem Schott in der „Backskiste“. Da wir ja keine Achterkabinen haben, ist das gesamte Heck ab Cockpit ein riesen Stauraum. Da wären die Motoren eigentlich ganz gut aufgehoben und würden am wenigsten stören.

Bild: Twin-Antrieb mit zwei AXC10-Wellenantrieben in der Position Achtern

Die blaue Linie im Bild ist übrigens die Rumpfschale an der Position der Motoren. Da die Motoren aber in einer Flucht mit den Ruderblättern liegen, ist der Abstand zu diesen zu gering. Die Verwirbelungen durch den Antriebsstrang würde die Anströmung und damit die Wirkung der Ruder beeinflußen. Eine optimale Ruderwirkung ist beim Segeln aber unbedingt notwendig. Auch für die Funktion als Hydrogenerator muß der Abstand mind. 2 Meter betragen, bei schnellen Booten sogar noch wesentlich mehr. Da wir Downwind auch mal mit der VOLT ins Gleiten kommen, sind Geschwindigkeiten von über 15 kn durchaus realistisch.

Aber ausschlaggebend war dann das Problem, dass die Motoren schon bei 20 Grad Krängung aus dem Wasser auftauchen. Und bei hohen Wellen hätte es sein  können, dass das Heck soweit frei kommt, dass die Propeller auch in der Luft hängen. Das würde bei Motorfahrt in schwerer See nur Probleme machen.

Bild: Propellerposition bei Krängung

Also müssen die Motoren weiter nach vorne.

Twin-Antrieb in der Position Vorne

Gehen wir mit den Motoren weiter nach vorne, dann müssen wir soweit vor, das bis zum Schott ausreichend Platz für den Wellentunnel und die Wellenkupplung ist. Der Abstand zur Schraube ist dann ausreichend, aber dummerweise ist der Motor zu hoch für das Bodenbrett. Und an der Stelle eine Stufe einbauen, um den Motor zu kaschieren, wäre eine arge Bastelei geworden, aber ganz sicher keine elegante technische Lösung.

Bild: Twin-Antrieb mit zwei AXC10-Wellenantrieben in der Position Vorne

Beim Krängungstest sieht es nur wenig besser aus. Bei 20-Grad taucht der Luv-Motor schon aus dem Wasser auf. Damit scheidet auch diese Variante sofort aus.

Bild: Propellerposition bei Krängung

Wir müssen also mit den Motoren noch weiter nach vorne.

Twin-Antrieb in der Position „ganz Vorne“

Weiter vorne ist der Rumpf etwas tiefer und wir haben in der flachen Bilge mehr Platz für die Motoren. Allerdings kommen vor dem Spant #10 bereits die Batterien und die Wassertanks, also können wir nicht noch weiter vor. Doch hier können wir die Motoren gut unterbringen und sie haben noch einen Abstand von knapp über 2 Meter, was für die gewünschte Manövrierfähigkeit enorm wichtig ist. Wäre der Abstand zu klein, könnten wir auch gleich ganz auf den Twin-Antrieb verzichten. Der Nachteil dieser Position ist allerdings, dass die Welle etwas länger wird, weil der Rumpf hier schon flacher ist und wir den für die Propeller benötigten Abstand zum Rumpf eben nur mit der längeren Welle erreichen.

Ein kleiner Vorteil ist aber, dass die 100 kg der beiden Motoren näher am Schwerpunkt liegen. Hier sind jetzt um den Kiel ein paar ganz „schwere Brocken“ angeordnet – die Dieseltanks mit ca. 500 kg (voll), die beiden Wassertanks mit zusammen 400 kg (voll), die Batterien mit etwa 200 kg und nun auch noch die Motoren mit 100 kg. Macht enorme 1,2 Tonnen Gewicht um den Kiel, was weiter zur Stabilität beiträgt.

Bild: Twin-Antrieb mit zwei AXC10-Wellenantrieben in der Position „ganz Vorne“

Der Krängungstest zeigt eine wesentliche Verbesserung. Bei 20 Grad sind die Propeller noch im Wasser. Das ist ausreichend, zumal man bei Motorfahrt unter Segeln sowieso nur den Lee-Motor einsetzen würde, der dann tief im Wasser liegt.

Bild: Propellerposition bei Krängung

Diese Position haben wir jetzt auch final als Motorposition ausgewählt. Dieser kleine Exkurs sollte eben auch zeigen, dass letztendlich jede Entscheidung einen Kompromiss darstellt. Vielleicht möchte der nächste Eigner einer Viator Explorer 42 DS keinen E-Antrieb, sondern einen konventionellen Dieselantrieb. Dann ist diese Konfiguration natürlich völlig ausgeschlossen und der Dieselmotor steht dann an der Stelle, wo wir jetzt den Generator eingezeichnet haben.

Im Verlauf des Yachtdesigns steht man vor hunderten solcher Entscheidungen. Es gibt kein richtig oder falsch, es ist immer ein mehr oder wenig guter Mittelweg. Eine Vorteil auf der einen Seite erkauft man sich mit irgendeinem Nachteil auf der anderen Seite.

Update 10.12.2018: Bei den Motoren ergab sich noch eine Änderung; wir bauen jetzt die Bellmarine DriveMaster Ultimate Wellenantriebe ein

#nextgenerationyachting

 

 

 

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