Die VOLT war zwar im Wasser, aber noch lange nicht fertig. Corona hatte unseren Zeitplan komplett über den Haufen geworfen. Unter Deck war noch eine riesige Baustelle, Generator, Wassermacher und Heizung waren noch nicht angeschlossen und fast täglich vergrößerte sich meine Todo-Liste. Aber wir hatten einen festen Termin für die Lieferung der Segel. Und dann mußten wir die Sommerferien für die Testfahrten im Ijsselmeer nutzen.
Der Mast stand ja nun seit dem 3. Juli auf der VOLT, für die Segel hatten wir den 13. Juli als Liefertermin vorgesehen. Damit wir dann auch gleich die Segel testen können, sollten sie in der Marina Stavoren Buitenhaven installiert werden. Von da aus hätten wir gleich raus auf’s Ijsselmeer fahren und vor allem den Kiel auf volle 2,80m ausfahren können. Rund um Heeg gab es nur das Heeger Meer mit seinen 2m Tiefe. Da kann man bei Flaute fast nach Hause laufen.
Also schaute ich immer abwechselnd auf meine Todo-Liste und auf den Kalender. Für Stavoren brauchen wir zur Sicherheit den Generator, um mit dem Hybridantrieb fahren zu können. Aber dafür fehlten ein paar ganz wesentliche Details, wie z.B. die Dieselleitung vom Tank. Und die E-Motoren mußten an den Kühlkreislauf angeschlossen werden. Dazu hatten wir ja extra eine Kühlschlange in den Rumpf einschweißen lassen, um keine Seewasserkühlung zu benötigen.
Am Freitag war dann klar, dass wir am Montag nicht in Stavoren sein werden. Der Generator lief zwar, aber sobald er mal ein paar Stunden gestanden war, sprang er nur schwer wieder an. Und noch viel schlimmer, er konnte sich nicht automatisch der Last anpassen. Wenn der Charger auf volle Leistung ging, dann ging der Generator in die Knie und schaltete mit einer Fehlermeldung ab.
Dabei stand das „VS“ in der Typbezeichnung des MASE 10.5 VS für „Variable Speed“, weil er die Drehzahl der Leistung anpassen kann. Der MASE hatte einen ausgezeichneten Ruf und es wollte mir nicht in den Kopf, warum er nicht tat, was er tun sollte. Doch ich wollte den Termin mit dem Segelmacher nicht absagen. Dann testen wir die Segel eben im Heeger Meer. Schließlich haben wir genau dafür einen Hubkiel installiert.
Am Montag Vormittag kamen die Segelmacher von UK Sailmakers an Bord und der Elektriker war derweil im Maschinenraum unter Tage auf Fehlersuche. Theorien gab es viele, so meinten einige Experten, der MASE verstünde sich nicht mit unserem Victron Quattro Charger und würde nicht merken, wenn die Last hoch ging. Irgendwas mit Phasenverschiebung, Flux Kompensator und dem Raum-Zeit-Kontinuum.
Am Ende war es wesentlich trivialer. Die Segel waren oben und und der Segelmacher meinte „also eigentlich könnten wir jetzt los“, als der Elektriker mit einem erstaunlich positiven Gesichtsausdruck aus dem Untergrund auftauchte. „Probieren Sie nochmal zu starten“. Ich drückte am Kartentisch auf’s Generator-Knöpfchen und er sprang sofort an. Ein gutes Zeichen. Ich drehte den Ladestrom an der Steuerung des Chargers hoch, und die Drehzahl des Generators folgte brav nach oben. Noch nie hatte sich das lärmende Geräusch eines Dieselmotors so wohlklingend angehört.
Wie gesagt, es war ziemlich trivial. Die Dieselleitung zog über die Rückflußleitung Luft, und wenn der Generator lange Zeit stand, dann saugte er Luft an und konnte nicht sofort starten. Das war Fehler Nummer 1, der durch ein kleines Rückschlagventil beseitigt wurde. Im Starter war ein Kabel lose, sodaß er manchmal startete und manchmal eben nicht. Fehler Nummer 3 war schon etwas verzwickter. In der Elektronikbox, die eben auch die Drehzahl steuerte, hatten sich ein paar Stecker gelöst. Das konnte man nicht auf Anhieb sehen, sondern man merkte es nur, wenn man sie wieder fest in die Halterung drückte.
Jetzt wird gesegelt
Endlich konnten wir das tun, worauf wir nun seit über 4 Jahren hingearbeitet hatten. Wir konnten zum allerersten Mal mit der VOLT segeln. Im Hafen sahen die Segel schon ziemlich gut aus und unterstrichen die Dynamik des ganzen Entwurfs.
An diesem Montag hatte es zwar allerbestes Wetter, aber kaum Wind. Aber das ist ja für eine erste Testfahrt mit neuen Segeln auch gar nicht so schlecht. So konnten wir auch die Leichtwindsegel testen. Der Gennaker kam dann auch gleich zum Einsatz und die Segelmacher waren mit dem Ergebnis zufrieden.
So kreuzten wir den Rest des Tages durch das Heeger Meer, das eigentlich eher ein See ist. Der Kiel war etwa auf 1,50m Tiefe ausgefahren, was bei den leichten Winden überhaupt kein Problem darstellte. Später lernten wir den Hubkiel im Ijsselmeer schnell schätzen, weil wir Untiefen nicht mehr mühsam umsegeln mußten, sondern einfach den Kiel ein wenig anhoben. Selbst bei 15kn Wind spürt man im Seeverhalten kaum einen Unterschied. Es krängt und rollt vielleicht etwas stärker, aber dafür muß man sich keine Sorgen über den Tiefgang machen. Natürlich braucht man ab einer gewissen Windstärke den vollen Tiefgang, das versteht sich von selbst.
Die Premiere war gelungen, der Generator lief und der Fahrt nach Stavoren stand nichts mehr im Weg. Wir verlegten also am folgenden Tag unseren Liegeplatz nach Stavoren, was etwa drei Stunden Motorfahrt bei strömenden Regen bedeutete. Doch dabei konnten wir den Elektroantrieb endlich mal auf einer längeren Strecke testen. Das Ergebnis deckte sich etwa mit den Vorausberechnungen. Bei 4kn Geschwindigkeit benötigten wir 3kW Leistung, bei 5kn bereits 6kW. Wir können also mit den verfügbaren 12kWh der Hauptbatterie etwa 4 Stunden rein elektrisch fahren und hätten eine Reichweite von ca. 16 Seemeilen. Das ist für den angedachten Zweck völlig ausreichend, da man bei Flaute sowieso wesentlich längere Strecken motoren würde und dann immer den Generator zuschalten müßte. Der Generator würde mit seinen 10kW etwa 5-6kn Marschfahrt ermöglichen, was mehr als ausreichend ist. Mit den 500 Litern Diesel an Bord hätten wir dann eine Reichweite von ca. 1000 Seemeilen. Wir hatten das Konzept des Hybridantriebs ja bereits in einem älteren Blogbeitrag ausführlich erklärt.
Abends lagen wir in der schönen Marina Stavoren Buitenhaven und die ersten Testfahrten im Ijsselmeer konnten beginnen.
Endlich ein Gewässer, bei dem man nicht ständig nach ein paar Minuten wenden muß. Wir verbrachten daher etwa zwei Wochen am Ijsselmeer und absolvierten unser Testprogramm.
Es ging ja nicht nur darum, die verschiedenen Segel zu testen, sondern auch darum, mit dem Boot vertraut zu werden und das Handling zu optimieren. Der Segelplan der VOLT beinhaltet neben Selbstwendefock, Genua und Großsegel auch noch einen Code 0 und einen riesigen Gennaker. Die Arbeitabläufe an Deck müssen zur Routine werden, um Fehler zu vermeiden. Beim Segeltrimm müssen verschiedene Einstellungen getestet und dokumentiert werden. Nach einer Weile hat man den Dreh raus. Mit der Selbstwendefock schafften wir am Ende fast 90-Grad Wendewinkel. Hoch am Wind ging es bis 30 Grad AWA, manchmal sogar 28 Grad. Da kann man für eine Aluminium-Fahrtenyacht nicht meckern.
Der Skipper war jedenfalls zufrieden. Wir waren ja von der Seascape 27 „PURE“ bei den Segeleigenschaften verwöhnt worden, daher wollten wir bei der neuen VOLT keine großen Abstriche machen. Das scheint funktioniert zu haben.
Eine Fahrtenyacht wird nicht nur gesegelt, sondern auch geankert. Eigentlich liegt man (statistisch) etwa 80% der Zeit auf Langfahrt vor Anker oder in der Marina und nur 20% wird gesegelt. Also haben wir natürlich auch die Wohnqualität der VOLT als Fahrtenyacht getestet und gleich mal vor Anker übernachtet. Als Hauptanker haben wir einen großen 27kg schweren Ultra-Anker an Bord, der an einer 80m langen Edelstahlkette hängt. Bei nur wenigen Metern Wassertiefe im Ijsselmeer brauchen wir davon nicht viel und auch der Ultra-Anker kann nicht zeigen, was er eigentlich kann. Der Ankergrund ist Schlick, da hält der Anker wie einbetoniert.
Das Foto vermittelt schon eher das Gefühl von der großen Freiheit auf dem Meer. Der Blick verliert sich in der Ferne, ohne auf Land zu treffen. Dafür wurde die VOLT gebaut, um entfernte Gestade zu entdecken und Meile um Meile im Kielwasser zu lassen.
Auch im Stadthafen von Medemblik machte die VOLT eine gute Figur. Sie weckt auch immer viel Interesse, vor allem wenn sie völlig lautlos mit dem Elektroantrieb anlegt. Derzeit ist die Viator Explorer 42 DS noch die einzige Serienyacht der Welt mit einem Hybridantrieb und mit 2 Elektromotoren. Daher ist das große Interesse natürlich nachvollziehbar.
Am letzten Segeltag hatten wir kaum Wind, aber es reichte gerade so für den Gennaker – zumindest anfangs. Bald schlief der Wind völlig ein und die Boote bewegten sich im Zeitlupentempo über das Wasser.
Wir packten die Segel wieder ein und machten uns auf die Rückfahrt nach Heeg. Da hatte ich den Ehrgeiz, die ganze Strecke nur rein elektrisch zu fahren. Theoretisch sollte es reichen und tatsächlich waren bei Ankunft die Batterien noch zu 37% geladen.
Jetzt werden in der Werft noch die letzten Arbeiten erledigt und im September sollte die VOLT dann in die Ostsee überführt werden. Da erreichte uns eine Mail, die uns ziemlich elektrisierte und alle Pläne über den Haufen warf.
Es geht nicht in die Ostsee, es geht genau in die andere Richtung. Wir segeln nach La Rochelle. Doch darüber später mehr.
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Ergänzung nach Kommentaren und Fragen zum Blogbeitrag:
Wir haben lustigerweise nach der Ankuft in Stavoren den Generator die ganzen Wochen kein einziges Mal benötigt. Aber da wir noch keine Erfahrung mit dem Boot hatten, wollten wir zur Sicherheit ein Backup haben. Tatsächlich sind wir dann alle Motorfahrten rein elektrisch gefahren. Ablegen, raus aus der Marina, Segel setzen und dann wieder Segel bergen, Ankern oder rein in den Hafen und Anlegen. Die Batterien waren dann noch bei ca. 90%. Im Normalfall wird man also den Generator sehr selten benötigen. Auch das Kochen mit dem Induktionsherd hat erstaunlich wenig Strom verbraucht. Ein Stromfresser ist hingegen der Warmwasserboiler. Der zieht bis zu 2kW in der Stunde. Den sollte man also nur bewußt verwenden.
Sehr bewährt hat sich die Handtuchheizung im Bad. Sie heizt nicht nur schnell das Bad auf, was die Skipperin an einem kalten Morgen zu schätzen weiß (ihr wisst ja, „happy wife, happy life“), sondern man kann darauf auch schnell die Wäsche trocknen, die aus der Waschmaschine kommt. Auch an regnerischen Tagen vor Anker kann man einen Wäschetag einlegen.
Ein zentrales Thema im Energiemanagement ist ja die Stromerzeugung über die Motoren, die dann als Hydrogeneratoren funktionieren. Wir sagen dazu „Regeneration“, auch wenn oft der Begriff „Rekuperation“ verwendet wird. Aber es ist keine Rekuperation, also Rückgewinnung von kinetischer Energie, da das Boot nicht abgebremst wird, sondern die Propeller wie Turbinen arbeiten.
Leider ist Bellmarine diesbezüglich noch am Entwickeln. Nach dem Kauf der Firma durch den Transfluid-Konzern wurde die Entwicklungsabteilung nach Italien verlegt. Das hat die Entwicklung nicht unbedingt beschleunigt, zumal bei Transfluid das Gefühl für den Yachtmarkt fehlt. Und damit auch für die Anforderungen auf Langfahrt.
Aber grundsätzlich funktioniert es. Zuerst gibt man etwas Leistung auf den Motor, damit er sich dreht und sich der Faltpropeller öffnet. Die minimale Drehzahl würde das Boot mit vielleicht 2kn fahren lassen. Die Fahrtgeschwindigkeit unter Segeln sollte also wesentlich höher sein, sagen wir mal 6kn. Dann wird die anliegende Strömung die Propeller weiter beschleunigen und sie erzeugen Strom. Man sieht das sehr schön an der Ampere-Anzeige der Batterie. Zuerst dreht sie ins Minus, wenn man die Motoren startet. Dann geht die Ampere-Anzeige hoch und bald ist sie positiv und wir erzeugen Strom. Bei 6kn waren es etwa 300 Watt. Das entspricht ungefähr den Erwartungen, die wir in diesem Diagramm eingezeichnet haben. Interessant wird es bei 10kn, da sollte jeder Motor etwa 1kW erzeugen. Ein schnelles Boot ist also klar im Vorteil.
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