Nach ein paar hundert Seemeilen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen im Ijsselmeer, Waddenzee, Nordsee und dem Englischen Kanal können wir unseren Elektroantrieb viel besser einschätzen und eine realistische Bewertung aus der Praxis abgeben. Es liegen auch erste Messwerte vor, die wir mit der Simulation aus 2017 vergleichen können.
Während die ersten Testfahrten im Ijsselmeer im Sommer 2020 noch recht unspektakulär waren und den Antrieb nicht wirklich forderten, so war der Törn im Herbst 2020 im Englischen Kanal (Bericht folgt noch) schon wesentlich anspruchsvoller. Ein Tidenrevier mit viel Strömung, konfuser Welle und schnell wechselnden Windbedingungen kann immer wieder den Motoreneinsatz notwendig machen.
Foto: viel Strömung am Kap Gris Nez
Wir hatten auf der Rückfahrt auch die Situation, dass die Strömung kippte, der Wind aber zu schwach war, um noch gegen die Strömung aufkreuzen zu können. Da lief dann der Motor den ganzen Tag und der Generator lieferte die benötigte Energie. Die Leistung war aber zu jedem Zeitpunkt ausreichend und es blieb noch eine erhebliche Leistungsreserve.
Die Messwerte haben wir gemittelt und in ein Diagramm eingetragen. Es ist schon erstaunlich, wie wenig Leistung für eine Marschfahrt mit 5-6 kn benötigt wird. Mit den 10 kW Generatorleistung kommen wir dann schon über 6 kn. Aber auch auf unserer Beneteau 57 mit dem 165 PS Yanmar-Turbodiesel sind wir bei Motorfahrt nicht über 6 kn getuckert, weil der Motor ein ziemlicher Spritschlucker war.
Bei vollen 20 kW erreichen wir ca. 7,5 kn, was allerdings die Reichweite drastisch reduziert, wie das zweite Diagramm zeigt. Durch die exponentielle Leistungszunahme bei höheren Geschwindigkeiten sinkt die Reichweite entsprechend stark ab. Bei normaler Marschfahrt mit 5-6 kn kommen wir also mit der 11,5 kWh Batteriebank etwa 10 Seemeilen weit.
Dabei ist anzumerken, dass wir die Batteriebank bewußt klein gewählt haben, weil abzusehen ist, dass in den nächsten Jahren eine völlig neue Batterietechnologie auf den Markt kommt, die erheblich mehr Reichweite ermöglichen wird. Schon jetzt würden wir mit neuen Batterien etwa 30 kWh Kapazität bei gleichen Kosten und Platzbedarf erhalten. Die nächste Viator Explorer 42 DS, die bereits im Bau ist, wird also erheblich vom technologischen Fortschritt profitieren.
Als Fazit können wir sagen, dass sich der Elektroantrieb in der Praxis sehr gut bewährt hat. Die Möglichkeit der geräuschlosen Motorfahrt ist faszinierend. An normalen Segeltagen braucht man den Generator überhaupt nicht, der Tagesbedarf an Strom wird durch die großen Solarpaneele gedeckt.
Für Hafenmanöver ist die extrem gute Manövrierfähigkeit mit 2 Motoren eine große Verbesserung, zumal in Kombination mit der Doppelruderanlage. Hier können einzelne Ruder gezielt angeströmt werden. Dazu noch ein wählbarer Radeffekt nach Backbord oder Steuerbord, ganz so wie man es braucht. Und natürlich das Highlight, wenn wir das Boot mit gegenläufigen Motoren auf der Stelle drehen können. Was dann nur noch zu toppen ist, wenn wir es mit der Fernbedienung vom Vordeck aus steuern. Gerade Einhand oder mit einer kleinen Crew eine erhebliche Erleichterung.
Der Twin-Antrieb wäre mit Dieselmotoren niemals möglich gewesen, dafür fehlt schon der Platz. Das ist bei der Bootsgröße nur mit den kompakten Elektromotoren machbar.
Foto: der Steuerbordmotor der VOLT
Eine besondere Erwähnung verdienen noch unsere Lithium-Batterien von MG Energy Systems in den Niederlanden. Die beiden Gründer Mark und Gerard sind absolute Experten in der Batterieentwicklung. Ich hatte sie in ihrem Werk in Leeuwarden besucht. Vor vielen Jahren haben sie mit selbst gebauten Batterien erfolgreich bei Elektroboot-Rennen teilgenommen. Daraus entwickelte sich dann eine eigene Batterie-Fertigung. Heute zählen die Batterien von MG zu den besten Produkten im Yachtbereich.
Besonders erwähnen möchte ich die LFP-Batterie mit 7200Wh und einem besonders günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit nur 2 Batterien kann man schon eine 48V Batteriebank mit satten 14,4kWh aufbauen (was 1200Ah unter 12V entsprechen würde). Neben der sehr robusten Bauweise ist eine perfekte Integration mit Victron-Komponenten ein weiterer Vorteil. Eine gute Kompatibilität ist nicht zu unterschätzen, um den Leistungsumfang vollständig nutzen zu können.
Das Batterie-Management-System (BMS) von MG macht hier einen sehr guten Job und arbeitet perfekt mit Chargern wie dem Victron Quattro zusammen. Wichtig ist in dem Zusammenhang die korrekte Ladekurve einer Lithium-Batterie, um die Lebensdauer der Batterie zu erhöhen. Wir haben diese Kombination auch auf der VOLT eingebaut und auf Herz und Nieren getestet.
Falls Sie, lieber Leser, über den Einbau oder Umrüstung auf Lithium-Batterien nachdenken, macht Ihnen Viator Marine gerne ein Angebot und stellt eine optimale Konfiguration zusammen. Sie profitieren dann auch von unseren günstigen Werftpreisen. Schreiben Sie uns einfach an info@viatormarine.com .
Wir werden diesen Beitrag mit neuen Daten ergänzen, sobald diese vorliegen.
Ergänzung 01.09.2021:
Unser Sommertörn 2021 ist zu Ende und wir konnten weitere 1000 Seemeilen an Erfahrungen mit dem Hybridantrieb sammeln. Es gab vielfach Fragen zum Verbrauch. Diesen Sommer sind wir recht viel unter Motor gefahren, sodaß wir nun recht zuverlässige Aussagen dazu machen können. Zum einen von Baltrum bis Wangerooge durch die Wattfahrwasser, weil der Wind fehlte. Dann zweimal durch den NOK und auch wieder mangels Wind von Brunsbüttel bis Terschelling. Im NOK hatte man perfekte Bedingungen für eine Verbrauchsmessung, weil die Fahrtstrecke exakt bekannt ist und es keine Strömung gibt. Im Blogbeitrag aus 2017 hatten wir einen Verbrauch von 0,5 Liter je Seemeile berechnet, was die theoretische Reichweite von über 1000 Seemeilen ergeben hat. In der Praxis sind wir sogar mit weniger als 0,4 Litern ausgekommen, was ein hervorragender Wert ist. Das bestätigt auch die (unter Experten unbestrittene) Annahme, dass der Hybridantrieb wesentlich sparsamer als ein Dieselantrieb ist. Zum Vergleich, bei unserer alten Beneteau 57 kamen wir bei 5-6kn nicht unter 1 Liter je Seemeile.
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